Ruhlandhof

Gegenüber der Kirche in Bannewitz (Kirchplatz 4) befindet sich ein Gebäudekomplex, der als „Ruhlandhof“ bezeichnet wird. Der Name geht darauf zurück, dass Arthur Otto Ruhland Pächter dieses Grundstückes mit den dazugehörigen Feldern war.

Der Gebäudekomplex vermittelt optisch den Eindruck eines Dreiseitenhofes. Tatsächlich war immer nur ein Teil des Dreiseitenhofes landwirtschaftlich genutzt. Es begann bereits damit, dass das erste Gebäude (links der alten Einfahrt, heute nicht mehr zum Grundstück gehörig) im Jahr 1859 als Wohnhaus erbaut wurde. Der Neubau fiel in die Zeit, in der Bergarbeiter für die Steinkohlenschächte nach Bannewitz zogen. Bauherr war Johann Carl Gottlob Wächtler, der auch Besitzer des Grundstückes Nr. 6 (heute Malerhaus, Dorfplatz 6) und des Gutes Nr. 11 (heute Dorfplatz 3) war. Diese Gehöfte am Dorfplatz waren offenbar zu klein geworden, um die dazugehörigen Felder zu bewirtschaften. Für den Gutsbesitzer Wächtler war die Bebauung des Grundstückes gegenüber der Kirche sozusagen eine Befreiung von den beengten Bedingungen am Dorfplatz.

Damit entstand ab 1868 der große Dreiseitenhof mit Wohnstallhaus und Scheune, dem die Feldgrundstücke der kleinen Bauernwirtschaften am Dorfplatz zugeschlagen wurden.

Fünf Jahre später, im Jahr 1873, verkaufte Johann Carl Gottlob Wächtler den Hof an Ernst Ferdinand Illschner. Nach zwei weiteren Besitzerwechseln kam der Hof um 1910 in den Besitz des Strohhutfabrikanten Curt Behrens, dem Sohn des Gründers Carl Friedrich Behrens.

Die vorhandene Scheune wurde 1912 abgebrochen und durch ein zweigeteiltes Lager- und Wirtschaftsgebäude ersetzt, das der Hutfabrik als Lagerfläche für Fertigprodukte und Material und dem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb für die Lagerung von Futter und Ernte diente. Darüber hinaus bot das Gebäude Unterstellmöglichkeiten für Wagen und Geräte.

Die Gesamtanlage (Hutfabrik und Dreiseitenhof) ist in einer Grafik dargestellt, die aus der Zeit um 1912 stammt.

 

Nach Kriegsende 1945 gab es einen gravierenden Einschnitt in die Eigentums-verhältnisse  mit Auswirkungen auf den Betrieb des Dreiseitenhofes. Durch den Befehl Nr. 124 der SMAD (Sowjetische Militäradministration) wurde das Vermögen von Carl Behrens und der Mitgesellschafter mit Datum vom 16.11.1945 beschlagnahmt. Dazu gehörten die Stroh- und Filzhutfabrik und der landwirtschaftliche Nebenbetrieb. Die Besitzer stellten juristisch in Frage, ob die Voraussetzungen der Beschlagnahme nach Befehl Nr. 124 bzw. die Enteignung nach SMAD-Befehl Nr. 64 gegeben sind.

Zwischenzeitlich wurde der landwirtschaftliche Betrieb bis 1948 durch Martha Behrens verpachtet.

Die Einsprüche der Familie Behrens hatten keinen Erfolg. Die Rechtkraft der Enteignungen wurde mit Datum vom 01.07.1948 festgestellt.

Zur Weiterführung des landwirtschaftlichen Betriebes wurde 1951 der aus Cunnersdorf stammende Arthur Ruhland, vermutlich auf Grundlage eines Pachtvertrages, eingesetzt.

Das Wirtschaftsgebäude nutzte in der Folgezeit auch die Gemeinde Bannewitz. Darin befand sich die Garage des Bauhoffahrzeuges. Das war über viele Jahre ein in Zwickau von 1947 bis 1949 gebauter Horch H3. Es war das Erste in der sowjetischen Besatzungszone entwickelte und gebaute Nutzfahrzeug, das in einer Gesamtstückzahl von 852 mit Restbeständen von Motoren einer Wehrmachts-produktion hergestellt wurde.

Die Familie Ruhland betrieb viele Jahre noch eigene Viehhaltung. Im Erdgeschoss des Wohnstallhauses waren die Kühe untergebracht. Alle Gebäude, insbesondere das Wirtschaftsgebäude verfielen zu späteren DDR-Zeiten immer mehr. Erst nach 1995, als es schon längst keine Landwirtschaft auf dem Hof mehr gab und die Gebäude, die der Gemeinde Bannewitz gehörten, mittlerweile in total desolatem Zustand waren, entstanden Pläne zum Umbau für Wohnzwecke. Im Jahr 1997 gab es dazu einen Beschluss des Gemeinderates. Die Immobile wurde an die IMT GmbH verkauft.

Das Wirtschaftsgebäude war zu diesem Zeitpunkt sehr baufällig. Es wurde abgerissen und in der gleichen Kubatur als Wohnhaus wieder aufgebaut. In das Wohnstallhaus sind ebenfalls moderne Wohnungen eingebaut worden.

Es ist als Glücksfall anzusehen, dass der „Ruhlandhof“ eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung bekommen hat und damit, wie alle Gebäude am Kirchplatz, dazu beiträgt, ein gutes Gesamtbild abzugeben. Zu keiner Zeit waren in diesem Bereich alle Gebäude gleichzeitig in so einem guten Zustand. Das ist auch ein Anlass, stolz zu sein auf unsere Gemeinde und das was in den letzten 35 Jahren geschaffen wurde.

 

Günter Hausmann

28.05.2024